Süddeutsche Zeitung. 10. Februar 2023
Diesen tollen Beitrag über unser neues Fachgeschäft in München schrieb Gerhard Fischer für die SZ. Besser kann man die ellenwoods story nicht vermitteln. Die Fotos hat Alessandra Schellnegger gemacht.
Schreiben wie Napoleon
Im „Ellenwoods“ am Sendlinger Tor ist die Zeit stehen geblieben. Man bekommt dort edles Papier, das in der ältesten Papiermühle Europas hergestellt wird.
Von Gerhard Fischer, München
Papier wird, meistens, aus Holz gemacht. Holz heißt im Englischen wood. Man könnte also meinen, das „Ellenwoods“ am Sendlinger Tor trage diesen Namen, weil es dort Papier gibt. Stimmt aber nicht. Die Geschichte ist romantischer (und tragischer), und man kann sie auf der Homepage des Ladens lesen. Es ist die Geschichte von Ellen Whitecastle und John Woods; er schrieb zwischen 1914 und 1917 Liebesbriefe an sie. Woods starb im Ersten Weltkrieg, und Whitecastle heiratete einen anderen Mann.
Ellen Whitecastle ist die Großmutter von Bernd H. Falkenburg, und Falkenburg besitzt mit Knut W. Keul das „Ellenwoods“, ein Fachgeschäft für Schreibgeräte. Falkenburg redet sehr schnell, das Mitschreiben auf dem Block ist schwierig; deshalb braucht man das Handy, um das Interview aufzunehmen. Ansonsten ist das ein Treffen, in dem es sehr analog zugeht. Es wird viel über Traditionelles und Wertvolles geredet, zum Beispiel über Papier, das schon Napoleon verwendet hat, und das man im Laden kaufen kann.
Das „Ellenwoods“ führt Marken von Montblanc über Caran d’Ache bis Faber-Castell. Man bekommt hier edle, teure Schreibgeräte, aber auch edles, teures Papier. „Wir holen die Papiere zum Teil aus Florenz oder Prag“, sagt Falkenburg. „Papier ist eben nicht gleich Papier“, wirft Keul ein, „es gibt ja Beimischungen von Seide, Satin oder Baumwolle. Das ist ja kein Drucker- oder Kopierpapier, das wir kaufen.“
In Prag, sagt Falkenburg, stehe wohl die älteste Papiermühle Europas. Er war schon dort. „Man geht da rein, fühlt die Feuchte, und hinten hören Sie das Klackern, weil das Wasserrad immer noch mitläuft.“ Falkenburg schwärmt. „Da kann man in der Werkstatt sehen, wie man – wie vor 150 oder 200 Jahren – das Papier aus der Maische rausholt.“ Das „Ellenwoods“ war gut zehn Jahre lang in Schwabing, seit März 2022 ist es in einem schönen, 170 Jahre alten Eckgebäude am Sendlinger Tor. Die Kunden sind mitgegangen. „Wir haben sehr, sehr treue Kunden“, sagt Falkenburg. Was sind das für Menschen? „Die Familie mit Kindern, der Unternehmer, die Rechtsanwälte, das ganze Spektrum der Gesellschaft.“ Sie kommen trotz der, meistens, hohen Preise.
Wertarbeit: Der Dauerbleistift „Leonardo da Vinci“ hält ewig. Man kann ihn aber nicht radieren. (Foto: Alessandra Schellnegger)
Falkenburg führt in den hinteren Teil des Ladens. Er nimmt ein Papier in die Hand und sagt, es sei von Pineider. Schon Napoleon habe auf Pineider-Papier geschrieben. Falkenburg zeigt Briefumschläge, nennt den Hersteller und sagt Sachen wie „da ist jetzt Gold mit drin“, „das ist aus dem Jugendstilbereich“ oder „das Motiv mit der Lilie ist 250 Jahre alt“. Mit dem gleichen Motiv, zum Beispiel mit der Lilie, könne man dann Ordner, Briefpapier, Visitenkarten oder sogar Windelboxen kaufen. „Damit kann man ein bisschen spielen“, sagt Falkenburg. Je nach Kundenwunsch. Eine Buchbinderin, mit der „Ellenwoods“ zusammen arbeitet, fertigt das an.
„Freunde der hohen Schreibkultur“ seien im „Ellenwoods“ gerade richtig, sagt Keul. Die alten Werte seien nie verloren gegangen. „Sie sind durch die elektronischen Sachen nur in den Hintergrund getreten.“ Nach der Pandemie sei Zeit für Veränderung; es sei Zeit für Stil. Dennoch kann man im „Ellenwoods“ auch Alltägliches kaufen. „Da gibt es eine Dame, die hat einen Kugelschreiber von Lotto-Toto“, sagt Keul. „Die braucht eine neue Mine – und die kriegt sie bei uns für ihr lieb gewonnenes Schreibgerät.“ Im „Ellenwoods“ gebe es 1400 verschiedene Minen.
Und man kann hier Banksy kaufen. Sozusagen. Seit dieser Woche gibt es, zum Beispiel, ein Notiz- und Skizzenbuch mit Banksy-Motiven. Man geht dann doch, irgendwie, mit der Zeit.
Übrigens, Bernd Falkenburg hat seine Oma und ihren Verehrer nicht nur im Laden-Namen verewigt. Er hat die Liebensbriefe, die Tagebücher und einen Füller von John Woods einmal im „Ellenwoods“ ausgestellt. Den alten Kolbenfüller hat Falkenburg restaurieren lassen. Es war ein Montblanc Heritage, der heute wieder aufgelegt wird.
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